Nach dem Frühstück, während sich Barbara mit Vertretern der EU getroffen hat, fuhren wir zum Lager für Binnenvertriebene (Tewargha). Wir fuhren dafür Richtung Flughafen, der in der Mitten in Tripoli liegt, direkt neben mehreren Bau-Ruinen. Türkischen Bauunternehmen haben während der Revolution das Land verlassen und die Baustellen menschenleer zurück gelassen.
Auf der Fahrt zu den Tewargha versuchte ein Vertreter vom libyschen Protokoll, uns ungefragt und gegen die Planung zu einem anderen Lager, dass angeblich in einem besseren Zustand ist, zu leiten. Allerdings missglückte diese Aktion, da unsere Fahrer den richtigen Weg kannten und sich nicht von dem Versuch beeindrucken ließ.
Besuch im Lager für BinnenvertriebeneUmzäunt und mit Wachen beschützt, steht das Lager für Binnenvertriebene mitten in Tripolis. Es ist eines der drei größten Lager, die es in der Umgebung von Tripolis gibt. Insgesamt mussten 40.000 Menschen fliehen. Den meisten Menschen der Tewargha wurde vorgeworfen, Söldner oder Gehilfen Gaddafis gewesen zu sein und ihn unterstützt zu haben. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, Vergewaltigung als Kriegswaffe benutzt zu haben. In Tripolis sind insgesamt ca. 16.000 Menschen in Flüchtlingslagern untergebracht, in Benghazi ca. 11.000 und in einer weiteren Stadt, ich glaube Sirte, nochmal ca. 10.000 Menschen. In dem Lager, dass wir besuchten, waren ca. 4.000 Menschen. Empfangen wurden wir von Samuel Cheung, UNHCR, der uns durch das Lager führte. Wir besuchten eine Frau in ihrem Wohnbereich (ca. 8-10 qm) indem sie mit ihren insgesamt vier Kindern lebt. Sie sind geflohen und sie erzählte uns, dass sie noch vier Brüder hat, die aber alle von Milizen gefangen genommen wurden und sie nicht weiß, ob sie noch leben. Niemand weiß, in welchem Gefängnis ihre Brüder sind und ob sie noch leben. Nur die Miliz selbst weiß, was mit diesen Menschen passiert. Danach gaben Claudia und Barbara, zusammen mit der UNHCR und dem Leiter des Lagers, eine Konferenz für die Menschen in den Lagern. Für ca. 1,5 Stunden wurden Fragen und Statements abgegeben. Insgesamt waren rund 40-60 Menschen gekommen, um sich zu beteiligen oder einfach nur mitzuhören. Die meisten von ihnen waren Männer. Ich fragte mich, was wir tun können, um den Menschen vort Ort zu helfen. Es ist notwendig, dass wir in Deutschland eine Öffentlichkeit erzeugen und Organisationen unterstützen, die vor Ort dringend benötigte Hilfe leisten. Wir müssen auch dafür sorgen, dass im Bundestag und im Europaparlament immer wieder dazu berichtet wird, so dass das Thema nicht von der Tagesordnung fällt. |
Nach dem Besuch im Camp der Tewargha in Tripoli, setzten wir uns zu einer entscheidenden Lagebesprechung zusammen. Vor rund einer Stunde wurde bekannt gegeben, dass Milizen den Flughafen Tripoli gestürmt und erobert haben, um ihren Milizenanführer, der von der Übergangsregierung gefangen genommen wurde, freizupressen.
Es fielen Schüsse und die Lage am Flughafen war äußerst unklar. Die Flüge wurden alle bis auf weiteres gestrichen. Eigentlich war angedacht, dass wir an dem Abend nach Tunis fliegen würden. Dies war erst einmal nicht möglich.
Wir führten eine längeren Diskussion mit dem uns begleitenden Personenschutz des BKA über die Option, den Landweg von Tripolis nach Djerba zu nehmen. Es wurden uns alle Risiken genannt, so dass wir sehr gut wussten, was alles passieren könnte, wenn wir über den Landweg fahren. Ab diesem Zeitpunkt wurden wir auch vom GSG9 begleitet. Schließlich haben wir uns entschieden, einfach abzuwarten und weder den Landweg, noch mit einem Schiff an der Küste entlang, nach Tunis weiterzufahren.
Option 1: Abwarten und schauen ob die Fluggesellschaften am nächsten Morgen grünes Licht gegen und Flüge wieder möglich sind.
Option 2: Heute Abend nach Alexandria fliegen, um von dort aus nach Kairo und dann weiter nach Tunis zu reisen. Es gab angeblich noch ein Flugzeug, dass an dem Abend noch nach Alexandria fliegen sollte.
Die Abstimmung in unserer Reisegruppe zeigte eine deutliche Mehrheit für Option 1, nur zwei Mitglieder (u.a. ich), waren für den Weg über Alexandria.
Damit hatten wir eine Entscheidung und wir konnten noch einen gemütlichen Abend in Tripoli verbringen.
Treffen mit Georg Charpentier, 2. Vertreter des Generalsekretärs der UN in LibyenNach dem Mittagessen fuhren wir nach Palm City, um uns dort mit dem amtierenden Leiter der VN Mission UNSMIL, Georg Charpentier, zu treffen. UNSMIL ist ein Akronym für UN Support Mission In Libya und soll Libyen im Aufbau von Gesetzen, einer Verfassung und einer politischen Strukturen, helfen und unterstützen. Herr Charpentier ist seit Mitte September 2011 in Libyen und ist, nachdem das Stabilisierungsteam nur bis März 2012 in Libyen stationiert war, für ein weiteres Jahr, bis März 2013, vor Ort. Wir haben sehr lange mit ihm über die Krux und die Frage von Gerechtigkeit und Versöhnung gesprochen, gerade nach der offiziellen Entschuldigung der Tewargha. Die Problematik ist hierbei allumfassend und betrifft Libyen in allen vorstellbaren Ebenen. Es wird wohl noch eine sehr lange Zeit dauern, bis wirklich Gerechtigkeit herrscht, denn nach so vielen Jahren mit alltäglichen Menschenrechtsverletzungen, ist ein sozialer Frieden nicht leicht zu finden. |
Besuch im “Art-House”
Leider ist mir vom Art-House nicht mehr so viel in Erinnerung geblieben, außer das es da beeindruckende Revolutions-Bilder gibt und das der Direktor des Art-Houses ein eindeutiger Unterstützer Gaddafis war/ist. Hinter seinem Schreibtisch war der Staubabdruck eines großen Bildes zu erkennen, was vermutlich ein schickes Bild von Gaddafi war. Durch die Ausstellung konnte ich leider selbst nicht gehen, da ich einige Telefonate mit meiner Fluggesellschaft und diversen Reisebüros führen musste, um für mich meinen Flug umzubuchen und noch für Mittwoch einen Platz im Flugzeug zu bekommen.
Nach unserem Besuch im Art-House haben wir uns darauf geeinigt, nochmal im Hotel einzuchecken, eine kurze Besprechung zu machen und uns dann Tripoli anzuschauen. Bei der Besprechung haben wir festgetsellt, dass nicht alle JournalistInnen einen Platz für unseren Flug am Mittwoch bekommen haben. Daraufhin haben sich drei Journalisten spontan dazu entschlosen, auf eigene Verantwortung mit dem Taxi an die Grenze nach Tunesien zu fahren und dann von dort aus direkt zum Hotel nach Djerba, eine Halbinsel in Tunesien, wo wir am Donnerstag unsere letzten Termine hatten und das Flüchtlingscamp in Shousha besuchen werden.
Die anderen, die noch kein sicheres Flugticket bekommen haben, aber auch nicht mit dem Auto fahren wollten sollten mit zum Flughafen kommen. Claudia, Jens, Melanie und ein Jorunalist hatten bereits einen Direktflug nach Tunis. Barbara, Raphael und ich einen Flug über Benghazi nach Tunis. Drei Journalisten fuhren mit dem Auto und zwei weitere JournalistInnen hofften auf ein Ticket am Flughafen und kamen auf Verdacht zum Flughafen mit.
Danach sind wir sehr nett Essen gegangen, es gab Baby-Kamel und/oder Couscous mit Gemüse