Gemeinsames Papier der Grünen Jugend und Jusos gegen den Fiskalpakt.
Ein friedliches Europa und die Idee einer solidarischen, gemeinschaftlichen Verantwortung gehören zu den größten Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.
Europa wächst zusammen. Ein großer Schritt in diese Richtung war und ist die gemeinsame europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Doch das Projekt steckt derzeit in einer großen Krise. Die Euro- und Finanzkrise zeigt, dass eine Währungsunion ohne demokratische politische Union, Wirtschaftsregierung und Sozialunion nicht funktioniert. Gegenseitiges Steuerdumping, fehlende Kontrollen und Absprachen in der Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik und heftige Ungleichgewichte zwischen importierenden und exportierenden Staaten sind Schritte die das gemeinsame Projekt Europa stark gefährden. Ein Europa der nationalen Egoismen mit einem schwachen Europäischen Parlament und ohne solidarische europäische Perspektive hat uns erst in die aktuelle Krise geführt und wird sie nicht überwinden können. Deshalb brauchen wir gerade jetzt ein Mehr an gemeinschaftlichen und demokratischen Verfahren in der Europäischen Union.
Der Europäische Fiskalpakt weist in die gegenteilige Richtung. Durch die Marginalisierung des Europäischen Parlaments wird die europäische Demokratie weiter geschwächt. Der Fiskalpakt etabliert ein neues Gremium außerhalb der bestehenden europäischen Institutionen. Er erlaubt den nationalen Regierungen ohne parlamentarische Kontrolle, die Finanzpolitik auf europäischer Ebene zu kontrollieren und von dort in die Politik der Euro-Staaten einzugreifen. In der Praxis können die nationalen Parlamente höchstens noch Abnicken, was von ihren Regierungen auf europäischer Ebene ausgehandelt wurde. Schon jetzt zeigt sich, dass das bislang erfolgte unsoziale Kaputtspardiktat in den betroffenen Staaten politisch und ökonomisch scheitert. Allein die enorme Jugendarbeitslosigkeit ist ein politisches Armutszeugnis und bedeutet für Millionen junge Menschen Perspektivlosigkeit. Die berufliche Aussichtslosigkeit vor allem junger Leute, die gesellschaftliche Spaltung durch die scharfen Leistungskürzungen und die Folgen der Finanzkrise machen einzelne demokratische Regierungen zunehmend handlungsunfähig. Um dies zu bekämpfen, werden Staaten wie Griechenland, Spanien, Irland und Portugal Spar- und Privatisierungsmaßnahmen diktiert, vor allem auf Druck der deutschen Regierung unter Angela Merkel.
Ein blindes Spardiktat bedeutet Rezession, Massenarbeitslosigkeit und die Erosion der Demokratie. Wozu das führt, lässt sich derzeit in ganz Europa beobachten: Griechenland spart sich kaputt, Spaniens Wirtschaft hat auch kaum Chancen sich zu erholen und die Arbeitslosigkeit steigt in besorgniserregende Höhen. Das Schröpfen der Bevölkerung ist dabei kein Weg, denn die Lohnkürzungen haben auf Grund des gleichzeitig hohen Preisniveaus der dortigen Unternehmen die Importabhängigkeit nicht reduziert und damit kaum einen Beitrag zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit geleistet, und darüber hinaus hohe politische und gesellschaftliche Kosten nach sich gezogen. Ausgeglichene Haushalte sind sinnvoll, doch es muss da gekürzt werden, wo es sinnvoll ist (z.B. beim Militär oder klimaschädlichen Subventionen) und dort Steuern erhöht und besser eingetrieben werden, wo es viel Vermögen gibt.
Der Fiskalpakt in seiner derzeitigen Form, der lediglich die Schuldenaufnahme des betreffenden EU-Mitgliedsstaates unbesehen dessen ökonomischer Situation begrenzt und sanktioniert, schreibt die gefährliche einseitige Sparpolitik vertraglich fest. Der Europäische Fiskalpakt verkennt somit die eigentlichen Krisenursachen und wird die Krisensymptome noch verschärfen.
Deshalb dürfen die Fraktionen der SPD und der Grünen diesem Fiskalpakt nicht zustimmen!
Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, die SPD-geführten Länder und Baden- Württemberg als Grün-geführtes Land werden aufgefordert, eine Ratifizierung des Europäischen Fiskalpakts im Bundestag bzw. Bundesrat abzulehnen, sofern er nicht im Zuge von Neuverhandlungen durch Übereinkünfte für nachhaltige Investitionen, gute Beschäftigung und Stärkung der öffentlichen Hand verändert wird.
Um dem Anspruch an ein solidarischeres und sozialeres Europa gerecht zu werden, müssen folgende Punkte in den Fiskalpakt aufgenommen werden. Ohne diese entscheidenden Veränderungen dürfen wir dem Fiskalpakt nicht zustimmen.
1. Die Einbeziehung des Europäischen Parlaments in den Fiskalpakt mit Kontroll- und Mitentscheidungskompetenz und seine Überführung in den Rahmen der Institutionen der Europäischen Union.
2. Eine Übereinkunft über eine verbindliche europaweite Stärkung der Einnahmen der öffentlichen Haushalte, etwa durch die europaweite Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS), eine europaweite Mindestbesteuerung von Unternehmen sowie hoher Vermögen und eine zeitlich befristete europaweite Vermögensabgabe, die für sozial-ökologische Investitionsprogramme eingesetzt werden können. Mit der FTS können nach den Berechnungen der EU-Kommission ca. 57 Mrd. Euro eingenommen werden und durch eine Vermögensabgabe können alleine in Deutschland 100 Mrd. Euro mobilisiert werden. Auch durch europaweite gemeinsame Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerdumping sind hierbei von zentraler Bedeutung.
3. Die Regeln zur Koordinierung der Finanz- und Haushaltspolitik müssen über Schuldenvorschriften hinausgehen und andere Faktoren, wie Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Außenhandelsgleichgewicht erweitert werden. Wachstumsprogramme nutzen nichts ohne ein Ende der Austeritätspolitik in den Krisenländern, die sich in schweren Rezessionen befinden. Deswegen müssen die Zeiträume, in denen die Krisenstaaten ihre Haushalte sanieren sollen, gestreckt werden. Die Staatshaushalte müssen atmen können, die Kaputtsparpolitik muss beeendet werden. So braucht zum Beispiel Griechenland mindestens bis 2016 Zeit, um Reformen umzusetzen, zu sparen und die Einnahmen zu erhöhen.
4. Den Bankensektor durch u.a. höhere Eigenkapitalvorschriften, einer strikteren Verschuldungsregulierung und dem ins Licht rücken von Schattenbank-Aktivitäten, die Zerschlagung von Großbanken („too big to fail“) und die Schaffung einer starken, europäischen Bankenaufsicht. Alle Finanzmarktgeschäfte müssen über Börsen abgewickelt werden und der Einfluss der Ratingagenturen eingeschränkt werden. Einige Länder, wie Spanien oder Irland, werden es allein nicht schaffen ihre nationalen Banken zu retten. Außerdem werden bei der derzeitigen Art der Bankenrettung Milliarden an Geldern unkontrolliert an BankaktionärInnen verschenkt. Ein europäischer Bankenrestrukturierungsfonds könnte Geschäfte nationaler Banken abwickeln, sie wieder durch staatliches Kapital refinanzieren und neu strukturieren.
5. Die Einführung von Eurobonds als Mischung von gemeinschaftlichen europäischen und nationalen Staatsanleihen. Eurobonds sind eine faire Möglichkeit Ungleichgewichte angemessen zu verteilen und zu einer einheitlicheren finanzmarktlichen Risikoverteilung in Europa zu kommen. Es gibt zahlreiche Modelle, wie diese verantwortungsvoll gestaltet werden können. Die Etablierung eines Schuldentilgungsfonds, wie es der Sachverständigenrat schon lange vorschlägt, welcher über die Eurobonds finanzierte werden soll, würde Ländern, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, mit niedrigen Zinsen die Möglichkeit bieten, mit ihren Schulden zurechtzukommen.
6. Die Ergänzung des Fiskalpakts durch ein dauerhaftes Investitionsprogramm auf europäischer Ebene, das ökologisch nachhaltige, wirtschaftlich sinnvolle und sozialen Problemen vorbeugende Investitionen in den von der Krise besonders gebeutelten Staaten fördert und dadurch die Arbeitslosigkeit senkt, den ökologischen Umbau der Wirtschaft voranbringt und die Binnennachfrage stärkt. Dafür müssen die vorhandenen Europäischen Mittel nicht nur umverteilt, sondern der Finanzrahmen für „Nachhaltiges Wachstum“ verdoppelt und unter der Aufsicht des EU- Parlaments flexibler gestaltet werden.